Einen Tag lang schauen wir, Gerlinde und ich, die Stadt und den Strand zum Atlantik an, kaufen herrlich frische Sachen auf dem Markt und braten abends den gekauften Fisch.
Am nächsten Tag flüchten wir, denn es hat die „Independence of the Sea“ (Was macht das unabhängige Schiff wohl wenn es keine See hat?) angelegt, ein Kreuzfahrer mit 3.800 Gästen. Leider haben wir Nieselregen und sehr unterschiedlichen Wind. So gehen wir nach einigen Stunden in der Bucht von Cedeira vor Anker.
Der nächste Tag überrascht uns mit einem sonnigen Morgen, doch die Wolken sind gleich wieder da und Wind und Wellen treiben es noch bunter. Bei Wind zwischen 0 und 24 kn kämpfen wir gegen die Wellen bis wir im Flusshafen von Ribadeiro ankommen und anlegen können. Eine Fernsehaufzeichnung (sowas wie der Fernsehgarten bei uns) hat den Ort aus dem Tiefschlaf gerissen und viele Gruppen zeigen was sie sich dafür ausgedacht haben.
Am Sonntag fahren wir weiter nach Ribadeo. Leider sehen wir vor lauter Wolken nicht viel von der reizvollen Küste (Felsen, grüne Berge) und fahren mit Motor über die flache See. Vor dem Hafen überspannt eine riesige Brücke den Fluss und ab und zu kommen Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostella hier oben vorbei. Die Stadt ist ein wildes Chaos von Baustilen. Das wildeste Gebäude – eine Schule – wird gerade saniert.
Das Wetter wird besser. Es ist zwar immer noch kein Wind aber ab und zu kommt die Sonne durch. Als wir in dem kleine Hafen von Luarca festmachen wollen (was an sich schon eine artistische Meisterleistung wäre wegen der einzigen glitschigen Leiter, die man 5 Meter hoch erklimmen muss um die Leinen festmachen zu können) zeigt sich, dass vor der hohen Mauer Felsen im Wasser liegen die bis zu 50 cm unter die Wasseroberfläche reichen. Im Hafenführer steht zwar etwas von 1,30 m in der rechten Ecke, aber die Felsen reichen doch bis über die Hälfte der Molenlänge. Was danach kommt, wollten wir lieber nicht mehr erkunden und sind wieder abgedreht. So haben wir das Museum mit dem 40 m langen Tiefseekraken eben nicht gesehen.
In Cudillero, nur 10 Meilen weiter, haben wir dann einen schönen Platz an einer Boje gefunden. Nun ja, das bedeutet: Beiboot auspacken und ins Wasser lassen, an Land rudern und später wieder alles zurück. Die kleine Stadt ist recht romantisch in eine enge Schlucht gebaut und es sieht aus, als ob ein Haus auf das andere gebaut wäre.
Nach kurzer Motorfahrt – wieder kein Wind – erreichen wir am nächsten Tag Avilés. Vorbei an Kohlehalden und Aluwerken (Windräder) dringen wir bis zum Zentrum mit einem ordentlichen Flusshafen vor. Auf der gegenüber liegenden Halbinsel wurde das erste der nun folgenden modernen Architekturmonumente gebaut: Ein Kulturpalast von Oscar Niemeier. Auf der abgeräumten Industriehalde hat er der Stadt ein Kino, einen Veranstaltungssaal und ein Ausstellungsgebäude geschenkt (mit 105 Jahren!). Ein etwas kurz geratener Turm mit Restaurant, das mangels Besucher wieder geschlossen ist, gehört auch noch dazu. Das Ganze in Weiß, was natürlich gut zu den naheliegenden Kohlehalden passt. Na ja, es regnet hier ja ziemlich oft, da kommt dann das Weiß schon wieder durch! Es gibt auch kaum Veranstaltungen und so bleibt Avilés eine etwas verschlafene Kleinstadt.
Wegen dem vielen Regen hatte man früher die Häuser auch mit Arkaden gebaut, die einen geteilten Boden haben. Die eine Hälfte ist mit Steinplatten leicht zu begehen, die andere ist mit lauter dicken Kieseln belegt und war für die Pferdefuhrwerke gedacht.
Durch einen leichten Morgennebel fuhren wir den Fluss hinaus und ohne Wind und ohne Wellen nach Gijon. Wie schon A Coruna hat auch diese Stadt zwei Seiten zum Wasser, eine zum Meer und eine zum Fluss. Am Meer ist ein langer wunderbarer Sandstrand und Gerlinde geht sogar bei 17°C Wassertemperatur in die Wellen. Nebenan hat gerade eine Schulklasse Surfunterricht. Es hat schon Vorteile am Meer in die Schule zu gehen. Abends stößt Heidi noch zu uns und ich habe jetzt 2 Frauen an Bord – wenn das man gut geht!
Es geht gut! Auf der Fahrt nach Ribadasella haben wir wieder Wind und können segeln. Bei der Einfahrt müssen wir sehr genau durch die Untiefen fahren. Man kann das gut sehen, wenn das Wasser dann zurück gegangen ist. Was vorher ein riesiger See war ist nun bis auf ein schmales Rinnsal eine Sandbank und eine Mauer.
Da es hier in Nordspanien keinen Wein gibt, trinken die Leute Cervesa einen etwas übel riechenden Apfelwein. Dabei ist die Einschenkprozedur sehr wichtig. Der Apfelwein muss nämlich so viel Sauerstoff wie möglich aufnehmen wenn er ins Glas kommt. Dazu schaut der Kellner gelangweilt in die Gegend, hält die Flasche über den Kopf und das Glas möglichst tief nach unten und hofft dann, dass er trifft, wenn er die Flasche kippt. Es klappt auch meistens.
Bei Nieselregen und Flaute geht es mit Motor (ich glaube ich muss mein Schiff umtauschen) weiter nach San Vicente de la Barquera. Wieder ein Ort weit hinter der Flussmündung und ich zirkle mich vorsichtig an den einzigen Platz am Steg zum Dorf. Leider ist das Tor versperrt und so müssen wir trotzdem mit dem Beiboot außen rum ans Ufer fahren. Die Stadt mit der längsten Bogenbrücke Spaniens (zumindest als sie im Mittelalter gebaut wurde) und einer Burg auf dem Felsen neben dem Fluss liegt zu Füssen der Picos de Europa, einem 2.500 m hohen Gebirge. Das sehen wir allerdings erst am nächsten Tag mit seinen Schneefeldern, als die Wolkenbänke sich verzogen hatten und der blaue Himmel heraus kam.
Der Segelversuch scheitert wieder mal mangels Wind und so tuckern wir durch ein Gewusel von Regattabooten in die Bucht von Santander. Es ist gerade die Weltmeisterschaft für Laser, 470er, Skiffs und einige mehr. Ganz schön was los an der Hafenpromenade. Hier steht auch das neue Centrum Botin von Renzo Piano, ein weiteres Highlight moderner Architektur in Nordspanien. Leider haben wir nicht viel Zeit für diese interessante Stadt, die sicher noch viel zu bieten hat, denn Bilbao ruft!
Und es lohnt sich, zumindest für den Freund moderner und ungewöhnlicher Architektur. Der Hafen ist teuer und liegt etwas außerhalb. Aber für 1,80 € ist man in 35 Minuten mit der Metro in der Stadtmitte. Noch 10 Minuten laufen, dann steht man vor dem Kunstobjekt für die Kunst, das Bilbao aus dem schwarzen Industrieloch in die begehrte Kunstmetropole geholt hat. Das Guggenheim Museum von Frank o´Gehry am Flussufer ist wirklich eine Sensation – sowohl außen als auch von innen beeindruckend.
Es hat einige andere Architekten von Weltruf dazu gebracht ebenfalls ein Zeichen in Bilbao zu setzen. So haben Cesar Pelli, Zaha Hadid, Santiago Calatrava, Norman Foster und Philippe Starck hier mittlerweile ihre Spuren hinterlassen. Gerlinde ist jedenfalls nach diesem Highlight erst einmal nach Hause geflogen und die Reise geht mit Heidi alleine weiter.
Bei trübem Wetter – Heidi sagt irgendwo muss ja das viele Wasser für die „grüne Küste“ costa verde“ herkommen – geht es weiter um ein kleines Kap nach Bermeo. Hier frischt der Wind plötzlich auf und pustet uns mit 28 kn in den Hafen. Ich hatte ganz schön zu kämpfen um die Segel zu bergen. Dafür durften wir erst mal an einem Privatsteg festmachen. Morgens um 7 mussten wir dort allerdings wieder weg – warum auch immer; es kam nämlich den ganzen Vormittag kein anderes Schiff.
Wieder kein Wind und keine Sonne. Dabei fuhren wir an diesem Freitag an einer eindrucksvollen Küste aus schräggestellten Schieferplatten entlang. Kurz vor Getaria hat sie dann doch mal durchgeblinkt und ich hab ein paar Aufnahmen machen können. Der kleine Ort ist bekannt für sein gutes Essen und überall stehen große Grills vor den Lokalen. Wir leisten uns einen Rodaballo (Steinbutt), ein Riesenfladen mit fast 1,4 kg – ausgezeichnet!
Im Hafen trainieren die Jungs derweil ihre Muskeln beim Rudern im 13er mit Steuermann. Diese Boote gibt es hier in jedem Hafen und jeder Bucht und es wird jeden Abend eifrig trainiert für den nächsten Wettkampf.
Mit Hilfe unseres Motors kommen wir die kurze Strecke nach San Sebastian, das sich nun nach der baskischen Befreiung Donostia nennt. Gut das ich mich angemeldet hatte, so hab ich einen Platz im sehr engen und quirligen Hafen bekommen und wir waren mitten in der Stadt.
Die Badesaison in der Bucht war schon in vollem Gange, das Wasser hatte inzwischen auch schon 20°C. Statt der spanischen Tapas gibt es hier die baskischen Pintxos in jeder Bar. Sie sind an der Theke ausgelegt und koste 2-3 €. Wenn man etwas trinken will, nimmt man sich dann ein oder zwei davon dazu. Es gibt richtige Wettbewerbe um die besten Pintxos. Die Stadt ist in die Altstadt mit den Kneipen und eine Neustadt mit den großen Läden und den Badehotels am Ufer geteilt. Beides interessant und lebendig.
Nur 12 Meilen weiter liegt Hondarribia am Grenzfluss zu Frankreich. Nach kurzem Segeln waren wir da und haben nach einem hin und her auch eine schönen Platz bekommen. Der erste war zu schmal und der zweite von einem Schlauchboot belegt, das erstmal raus musste. Unten hat Hondarribia eine kleine Fischerstadt mit 2-geschossigen Häusern und vielen Lokalen.
Den kurzen Berg hoch gibt es dann die Burg und die Häuser der Händler und, sehr passend, war hier gerade ein Mittelaltermarkt. Wilde Gestalten mit Totenkopfstäben, Gaukler Musikanten und 4 Meter hohe Figuren gingen durch die Gassen. Überall Stände mit Handgefertigten Dingen. Es war ein fröhliches Treiben in den alten Mauern.
Nur 18 Meilen weiter ist Bayonne, das wir wieder im Nieselregen ohne Wind mit Motor erreichen. Mit dem Bus (2€ pro Person für 24 Std im ganzen Verkehrsverbund!) kommen wir in die Stadt. Auch hier eine Altstadt (Studentenviertel) und eine Neustadt mit interessanten Läden, Häusern, Kirchen etc.
Heidi fliegt am nächsten Tag heim und ich fahre weiter nach Arcachon, wo ich erst kurz nach 9:00 Uhr ankomme. Die Stadt liegt in einer riesigen Bucht und lebt von Muscheln und Austernzucht und den Touristen, die diese verschlingen. Zum Meer gibt es die größte Sanddüne Frankreichs mit über 100 Meter Höhe.
Ich kämpfe mich bei der Hitze mit dem Fahrrad über die Berge, wo zwischen den hohen Kiefern lauter Villen stehen. Es war die Idee eines Bauunternehmers, in dieser damals gottverlassenen Gegend ein Winterdorf zu errichten, in dem reiche Pariser den Winter logieren konnten. Mit der entsprechenden Werbung (gesunde Luft etc.) fanden die Häuser auch reißenden Absatz. Arcachon ist damit zu einem der beliebtesten Ziele an der Atlantikküste geworden.
Nach einem Ruhetag bin ich weiter nach Royan am Kopf der Girondemündung gefahren. Der Wind war zum Segeln ausreichend, aber ich wollte ja vor Mitternacht ankommen und so musste der Motor wieder ein bisschen nachhelfen. Hier ist erst einmal Ruhe und Stefan kommt am Samstag auch mit Familie, da werden wir zu fünft einen kleinen Segelausflug über die Bucht machen. Die Küste ist ganz abwechslungsreich. Zwischen den Felsnasen, die meist mit kleinen Fischerhäuschen bestückt sind, gibt es kleinere und größere Sandbuchten, in der Gironde mit braunem Wasser und am Atlantik mit blauem Wasser.
Zur Biskaya hin liegen am Sandstrand immer noch die alten Betonbunker aus dem 2. Weltkrieg.
Nach ein paar Tagen mit Familie bin ich am 22.06. mit Stefan und Simon nach Pauillac gefahren.
Hier werde ich mein Schiff für einen Monat lassen und heim fliegen. Ich hoffe, das dann endlich das gebrochene Vorstagprofil repariert werden kann Ich möchte nicht noch länger einen Schaden an meiner neuen Genua riskieren. Jetzt ist aber erst einmal „fête d´agneau“ das Lämmerfest, dazu extra ein poetischer Erguss:
Fête de l ´agneau in Pauillac
Es ist 3 Uhr nachmittags. Das Wasser der Gironde ist hier in Pauillac seit heute früh um 5 Meter gefallen. Ein breites Band aus Schlick trennt das Ufer des Flusses vom Wasser. Pauillac ist eine kleine Gemeinde auf halben Weg zwischen dem Atlantik und Bordeaux. Noch hier, rund 50 Kilometer landeinwärts sind die Gezeiten des Meeres so deutlich spürbar. Die Gegend, das Medoc, ist berühmt für die besten Weine der Welt.
Weingut Chateau Pichon Longueville
Haut Medoc
Hier liegen die Weingüter von Mouton Rotschild, Lafitte und Latour und weitere 60 Chateaus. Aber Pauillac ist auch bekannt für seine Schafe und das wird heute ausgiebig gefeiert.
Die mit Buckenhofen bei Forchheim befreundete Schäfertruppe „les esquiroous“ (die Eichhörnchen) versammelt sich früh morgens am Ortseingang. Mit dabei ist eine kleine Schafherde von etwa 30 Tieren. In ihren traditionellen Kostümen – die Baskenmütze darf nicht fehlen – marschieren sie dann durch die Straßen zur Kirche. Voran die Kapelle, die Bauern und Bauersfrauen, dann die 3 Schäfer und Schäferinnen, die mit ihren Hunden die Herde dicht zusammenhält. Unglaublich wie konzentriert die Hunde ihre Arbeit verrichten. Kein Schaf kann sich weiter als 1 Meter von der Herde entfernen.
Die Schäfer Innen und ihre Hunde
Die Jungschäfer
Es folgen Stelzengänger, heute sind es die Kinder, die das machen. Früher hatte man damit eine bessere Übersicht über das hohe Gras des Flussufers. Schließlich folgen noch die Reiter.
Vor der Kirche werden die Schafe und das jüngste Lamm gesegnet. Dann folgen einige Tänze und der Zug geht zurück zum Flussufer, wo gefeiert wird. Hier zeigen auch die Stelzengeher noch einige Tänze. Es ist erstaunlich, was man auf zwei langen Stöcken alles machen kann.
Der Nachmittag vergeht dann an einer langen Tafel, an der alle das berühmte Agneau de Pauillac mit einem neuen Rotwein der umliegenden Chateaus verzehren.
Pauillac, am 25.06.2017