Sardinien und die langen Fahrten

Mit ein bisschen Wut im Bauch bin ich aus dem versifften Fischerhafen von Bizerte hinausgedüst. Eigentlich wollte ich noch kurz Station auf der tunesischen Insel La Galaia machen, damit ich nicht die ganze Nacht durchfahren muss, aber ich hatte genug von den Tunesiern. Der Wetterbericht hatte kaum Wind vorhergesagt, das Meer war platt wie ein Ententeich, also gings geradewegs zurück nach Europa. Ziel war die kleine Insel San Pietro an der SW-Ecke Sardiniens. 140 sm würden wohl so 22 Stunden dauern. Die Hauptschiffahrtsroute hatte ich bis zum Dunkelwerden passiert, und keiner der etwa 20 Frachter und Tanker (z.T. 366m lang und 50 m breit!) hat mich versenkt. Der Viertelmond ging unter und der Sternenhimmel war prachtvoll. Ich vertrieb mir die Nacht mit meinem Käfer, den ich vor einiger Zeit mit an Bord genommen hatte. Das ist ein kleiner Marienkäfer (was ihr schon wieder gedacht habt…) als Eieruhr, der alle 20 Min klingelt. Dann muss ich hoch und schauen, ob etwas im Weg herum steht oder mich rammen will. Dann kann ich mich bis zum nächsten Klingeln wieder 20 min hinlegen. So geht das dann von 7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens. Irgendwie hat mich die Strömung etwas unterstützt und ich war schon um 9:00 Uhr in Carloforte, dem Hafen von San Pietro. Der Hafen – ein Traum: alle Stege mit Bretterbelag – kein Brett fehlt, keines ist durchgebrochen und alle festgeschraubt; nirgends auch nur die Spur von Müll; der Weg am Ufer mit einer duftenden Hecke zur Promenade abgegrenzt, Duschen und WC total sauber und freundliches Personal die ganzen 24h am Tag! Woah!

Hafen in Carloforte

Hafen in Carloforte

Nach dem Duschen und Schlaf nachholen hab ich abend gegessen mit einem ausgezeichneten Schwertfisch Carpaccio, Tunfischsteak und Tomatensalat – toll! Der nächste Tag war Ruhetag, dh. Ortsbesichtigung, Radrundfahrt um und über die Insel (dass so eine kleine Insel so viele Berge haben kann!) Baden und Eis essen.

Radweg - war nicht immer so

Radweg – war nicht immer so

Der Ort ist für italienische Verhältnisse sehr ordentlich und sauber, hat viele Blumen und Bäume und die typischen verwinkelten Gassen mit den Wäscheständern auf den Balkonen.

Carloforte

Carloforte

Die ganze Insel ist grün, von Macchia überzogen, nur einige Flecken sind frei. Dort wird Wein angebaut oder ein paar Kühe stehen herum. Die NO- Ecke ist noch immer mit vulkanischen Gestein in ganz eigenartigen Formationen bedeckt. Hier wächst seltsamerweise auch fast nichts, obwohl das Lavagestein schon 15 Mio Jahre alt ist. Ist wohl nicht so lebensfreundlich wie am Ätna.

Vulkangestein

Vulkangestein

Saline mit Flamingos

Saline mit Flamingos

In 2 Etappen mit einem nächtlichen Ankerstopp in der Bucht bei Capo Manu bin ich dann weiter nach Carloforte. Der Weg nach Menorca ist durch den Mistral blockiert, der mit 35-40 kn zwischen Menorca und Sardinien hindurchpfeift. Hier ist aber nix los und so tucker ich langsam nach Norden.

In Alghero, der angeblich schönsten Stadt Sardiniens, ist erst mal die Tankstelle kaputt und betanken aus Kanistern anscheinend verboten. Der Marinero hat mir trotzdem einen 30 l Kanister gebracht, den ich aber nur nachts verwenden durfte. Ich hab ihn dann in einer großen Einkaufstüte versteckt und bin 2 Mal zur Tankstelle geradelt und mit dem vollen Kanister wieder zurück zum Schiff. Na das hat wenigstens geklappt.

Alghero

Alghero

Die Altstadt ist – ähnlich wie Syracus – auf einer Halbinsel mit einer großen Befestigungsmauer umgeben. Dazu nochmal einen kleinen Geschichtsexkurs: Im 11. Jahrhundert haben erst mal die Genuesen sich hier eingenistet, nachdem sie die Piraten vertrieben hatten und die Stadt ausgebaut. Nach 200 Jahren, 1354 und diversen Versuchen von Pisa, die Stadt zu erobern, gelang es dann dem König von Aragon (also Katalanien) zusammen mit den Venezianern die Stadt einzunehmen. Irgendwie hat er dann die Venezianer wieder ausgebootet und dir Stadt war 400 Jahre unter katalanischer Herrschaft. In der Zeit kam auch Kaiser Karl der Große mal hier vorbei, hat seinen Soldaten bei Kampfspielen auf dem Platz vor dem Palast zugesehen. Als er zusehen musste, wie viel besser die Katalanen waren hat er sie kurzerhand geadelt (Ihr seid alle geadelt, rief er angeblich aus dem Fenster). Hat ihn ja nix gekostet, es waren ja die Untertanen des Katalanischen Königs. Schließlich fiel die Stadt an Savoyen, wurde also französisch. Irgendwie schon interessant, dieses Gerangel der Städte Genua, Pisa und Venedig gegeneinander und die Einmischung Kataloniens, Savoyens der Normannen und alle zusammen gegen die Piraten aus Nordafrika und der Türkei. Heute sind die Wappen der Seestaaten Italiens (Pisa, Genua und Venedig, den 4. weiß ich nicht mehr) in der Nationalflagge friedlich vereint.

Alghero

Alghero

Am Donnerstag gings noch an den Cabo Caccio, den äußersten Zipfel Sardiniens im NO. Dann kam die lange Überfahrt mit ca. 200 Meilen (kalkulierte 36 Std). Die Nacht in der Bucht am Cap war alles andere als entspannt. Die Wellen vom Mistral schwappten um die Ecke bis in die Bucht und ich rollte von einer Seite der Koje in die andere. Dabei war an Schlaf nicht zu denken!

Cabo Caccia

Cabo Caccia

Um ½ 4 Uhr früh hab ich mir einen schnellen Tee gemacht und bin aus der Bucht Richtung Menorca gefahren. Draußen war zwar kein Wind mehr, aber eine 2-3 m hohe Welle mit einer kleineren Welle dir quer dazu lief. So hat es das Schiff ständig von einer Seite zur anderen geworfen, dazu das Auf und Ab, die Kälte, die Müdigkeit und die Finsternis – das hat mich ziemlich fertig gemacht. Erst gegen 3 Uhr war so viel Wind, dass ich endlich etwas segeln konnte. Beim Segel fertig machen bin ich mir vorgekommen, als ob ich auf so einer amerikanischen Bullriding – Maschine stehen würde. Ist aber alles gut gegangen (sonst wär ich ja nicht hier) und ich konnte bis Sonnenuntergang segeln. Es wäre noch länger gegangen, aber wenn es dunkel wird berge ich zumindest das Großsegel, wenn ich alleine an Bord bin. Jetzt kam wieder mein kleiner Käfer zum Einsatz –insgesamt 20 Mal bis zum Sonnenaufgang. Kurz darauf war auch schon  La Mola zu sehen, der mächtige Felsen in der Einfahrt nach Mahon, der Hauptstadt von Menorca.

La Mola

La Mola

Vor genau 15 Jahren war ich schon einmal hier mit Lothar und Helmut auf meinem ersten Chartertörn. Viele Grüße an meine beiden Freunde, die noch viele Törns mitgemacht haben.

Mahon

Mahon

Die längsten Fahrten hab ich nun hinter mich gebracht. Den Rest kann ich mit Touren bei Tageslicht machen. Das ist doch sehr viel angenehmer.