Das Wetter wird mich nun ein paar Tage in Camaret festnageln. Es ist ein kleiner netter Ort an der Westspitze der Bretagne mit vielen Kunstgalerien (oder Künstlern die sich als solche verstehen). Auch die Restaurants sind ganz ansprechend und so gönne ich mir wieder einmal Moules frites. Abends gab´s dann ein Klavierkonzert in der kleinen Kirche am Ende der Landzunge. Ungerührt von dem gewaltigen Busen den die umblätternde Dame im feuerroten Kleid ihm immer wieder vor die Augen schwenkte hat der Pianist sein Programm heruntergespielt. War mal was anderes!
Aber ich muss ja noch die Sache mit meinem stotternden Motor aufklären. Ich habe also den Filter am Tank geprüft – sauber, dann denn Tank geöffnet (Sitzbank zerlegen und 24 Schrauben des Deckels abschrauben), kleine Schmutzlinse am Tankgrund mit einem Blasebalg abgesaugt, dann Diesel-Vorfilter gereinigt, dann – oh wie schön, dass man sich auf die Motorspezialisten verlassen kann – wäre der Dieselfilter dran gekommen. Aber es war keiner da! Bei der letzten Motorwartung in Lissabon hat mir dieser Heini einen Ölfilter eingebaut! Ich hab schließlich einen Laden gefunden, der mir den richtigen Filter bestellt hat. Ich hatte vorsichthalber die Bestellnummer schon im Internet recherchiert. Am nächsten Tag war er dann tatsächlich da und ich konnte ihn einbauen. Jetzt läuft der Motor wieder ruhig und ist seither auch nicht mehr ausgegangen. In meinem nächsten Leben werde ich hochdotierter Motorspezialist.
Der letzte Tag verging wieder mit einer Radltour über die mit Heidekraut bedeckten Klippen zu Hünengräbern und tollen Aussichtspunkten.
Der nächste Hafen – L`Aber wac`h – war ziemlich langweilig, ein paar Touristen und ein paar Kneipen, das wars. Deshalb bin ich auch am nächsten Tag im Nebel durch die Felsen weiter nach Roscoff gesegelt.
Die Stadt ist ganz reizvoll und ich hab noch einen Tag dran gehängt für eine Radtour durch die Umgebung.Die Häuser aus Granit geben den Orten hier einen ganz urigen Charakter. Roscoff hat dazu einen sehr eigenartigen Kirchturm, durch den die Stürme blasen können ohne Schaden anzurichten.
Der Nachbarort St. Pol de Leon im Landesinneren (auch noch an der Flussmündung) hat dafür eine sehr hohen Kirchturm (111 m), den man auch besteigen kann. Die oberste Wendeltreppe ist so schmal, dass ich mit den Schultern nur schräg durchpasse. Der Bilck über die Landschaft ist allerdings großartig. Überall Gemüsefelder für Zwiebeln, Artischocken, Kartoffeln etc. Früher sind die Bretonischen Bauern nach England gesegelt, um dort ihre Ernte zu verkaufen. Heute verdienen sie mit den Artischocken und den Touristen aus England mehr.
Früh morgens geht es weiter, denn es sind über 50 Meilen bis zum nächsten Hafen Lezardrieux. Leider ist er voll belegt, weil im nächsten Hafen ein riesiges Hafenfest mit historischen Schiffen und viel Musik stattfindet und deshalb viele hier Zuflucht gesucht haben. Ein bisschen Segelgeschichte hab ich dann auch noch mitgekriegt , als die Zweimaster am nächsten Morgen an meiner Ankerbucht vorbeizogen.
Ich hab jedenfalls einen schönen Ankerplatz gefunden, zwischen all den vielen Felsen, die da unter Wasser lauern. Friedlich lag ich da und konnte zusehen, wie bei Ebbe langsam die Muschelzuchtanlagen aus dem Wasser steigen.
An den villenbestückten Hügeln vorbei ging es wieder weiter auf das offene Meer hinaus.
Der letzte französische Hafen war schließlich St. Malo. Vollständig von einer Festungsmauer umgeben liegt die „Altstadt“ auf einer Halbinsel. Sie wurde im 2. Weltkrieg von den Allierten vollkommen zerstört, weil dort deutsche Stellungen waren. Nach dem Krieg bauten die Franzosen die Stadt dann wieder auf dem alten Straßenbild auf und nun schieben sich die Touristenmassen durch die Gassen und auf dem Mauerkranz außen herum.
Es ist wohl auch der Reiz der alten Corsarenstadt der die Menschenmassen anlockt. In St. Malo wurden die ersten Gesellschaften gegründet, die Piraten ausstatteten und beauftragten fremde Schiffe zu überfallen und auszurauben. Da sich das die Engländer, Holländer und Spanier aber nicht so einfach gefallen ließen, musste die Stadt so gewaltig befestigt werden. Von einigen der Skrupellosen Corsaren kann man noch Portraits in den Souvenirläden kaufen.
Nachdem ich einen Tag keinen Stromanschluss hatte und den Platz wechseln musste hab ich schließlich St. Malo fluchtartig verlassen und bin durch einige Regenschauer nach Jersey gesegelt.
Die steuerfreie Insel der Engländer (Diesel nur 60 cent) in der Bucht von St. Malo hat einen ganz anderen Charakter. Die Stadthäuser haben oft die typisch englische Holzverkleidung, und am Stadtrand stehen die bunten Reihenhäuser. Außer der Hauptstadt St. Helier gibt es nur wenige kleine Orte und ein gut ausgebautes Radwegenetz das ich ausgiebig genutzt habe.
An den exponiertesten Stellen haben die Deutschen Geschützstellungen gebaut (oder bauen lassen). Nach dem Krieg wurden sie zugeschüttet, weil sie zum Sprengen zu stabil gebaut waren. Nun sind sie wieder ausgebuddelt und etwas hergerichtet als Mahnmal oder Gedenkstätte oder Touristenattraktion?
In Gorey gibt es die Entsprechung aus dem Mittelalter : ein Burg mit vielen interessanten Zutaten für Jung und Alt, Die Kinder dürfen sich in einem Raum am Eingang als Ritter oder Prinzessin einkleiden und in den einzelnen Räumen sind mit Holzfiguren oder Kunstwerken Szenen aus dem Mittelalter verarbeitet worden.
In Guernsey, meiner nächsten Station, kann man nur bei Hochwasser 4 Stunden lang in den Hafen. Ein Sill verhindert, dass bei Ebbe zu viel Wasser herausläuft und die Boote weiter schwimmen können. Das Hochwasser geht dann bis zu 4 Meter über diese Betonwand und die Schiffe können ein- und ausfahren. Drei rote, bzw. grüne Lichter zeigen an, ob man durchfahren darf oder nicht.
Auch hier hab ich wieder eine Fahrradtour gemacht, vorbei an einem Landgut, dass von den ehemaligen Besitzern zu einer Stiftung gemacht wurde, in der pflegebedürftige untergebracht sind. Dann wieder an die Küste, wo die Deutschen eine viktorianische Befestigung noch etwas verbessert haben für die neusten Kanonen im 2. Weltkrieg.
Als krönender Abschluss die kleine Kirche, die ein Mönch 1915 errichtete. Er hat sie schließlich voller Liebe 3 Mal gebaut. Beim ersten Mal haben sich seine Mitbrüder über den Bau lustig gemacht, so hat er ihn wieder abgerissen. Beim zweiten Bau hat der Bischof nicht durch die Tür gepasst, als er das Kirchlein besichtigen wollte. So hat er es wieder abgerissen und zum 3. Mal gebaut.
Am 22.08. um 5:45 Uhr bin ich zur 14 stündigen Kanalüberquerung nach England gestartet.