Irlands wilder musikalischer Westen

Es war gar nicht so einfach, nach Galway in den Hafen zu kommen. Der hat nämlich ein Tor (wie bei einer Schleuse, aber eben nur eines) und das ist 10 Stunden zu und dann wird es für 2 Stunden aufgemacht, und zwar immer in den 2 Stunden vor Hochwasser. Ich bekam einen Platz zugesagt und sollte vor dem Hafen an einem kleinen Pontoon in der seitlichen Bucht warten. Als ich kam, war da alles in drei Reihen voll mit kleinen Motorbooten. Einige hatten wohl Anweisung das Feld zu räumen und verließen gleich (nach 20 Min) den Anliegeplatz, sodass ich vorläufig festmachen konnte. Es war immer noch so eng, dass ich rückwärts in die Bucht manövrieren musste, weil dort kein Platz zum Wenden war. Es hat aber alles geklappt und um 11:30 Uhr nachts bin ich dann wieder raus und in den geöffneten Hafen gefahren.

Jetzt hab ich erst einmal wieder ein paar Reparaturen am Schiff gemacht, denn hier hab ich ja wieder Läden, in denen ich einkaufen kann. Dafür hat der Hafen nichts – keine Toilette und keine Dusche! Dafür konnte ich im Harbor Hotel für 5 € Duschen und hab sogar noch ein Handtuch gekriegt (nicht zum Mitnehmen). Jetzt hab ich mich auch in den Trubel der Innenstadt mit den zahllosen Pubs und der Musik gestürzt. Von der traditionellen Musik mit Fidel Gitarre und Flöte (oder Dudelsack) bis zur 5 Mann Band mit Verstärker gibt es alles, was das Ohr aushält!

Am Samstag, den 26.5.  bin ich dann 1,5 Std mit dem Bus nach Ennis gefahren. Hier geht es schon entschieden ruhiger zu, obwohl gerade das Musikfestival Fleadh Nua läuft, dass in ganz Irland berühmt ist. Ich hab mir eine Session für Traditionelle Musik in einem Cafe rausgesucht und war 5 Min vor Beginn da. Mit einem großen Cappuccino hab ich mir einen schönen Platz rausgesucht, es war ja auch alles noch frei. Aber es waren schon drei Musiker da. So nach und nach füllte sich das Lokal und fast jeder der kam packte irgendein Instrument aus. Zuletzt (so nach einer halben Stunde) waren etwa 11 Geiger 5 Flöten 3 Trommler drei Ziehharmonikas und diverse andere Instrumente im Saal. Die Zuhörer waren jedenfalls in der Minderzahl. Meist fingen zwei Damen mit Geige und Flöte mit einer einfachen Melodie an und nach und nach spielten alle mit. Nach 4 oder 5 langen Stücken stand ein Mann auf und trug (ohne Begleitung) eine lange Ballade vor. Es folgte noch ein zweiter und schließlich hat auch eine alte Dame (geschätzte 80 Jahre) ein ebenfalls sehr langes Gedicht vorgetragen. Dann ging es mit der Musik wieder weiter. Einfach faszinierend! Am Nachmittag gab es dann wieder eine kleine Session in einem Pub, wo ich gerade etwas zu Essen bestellt hatte. Sehr praktisch.

Am nächsten Tag fuhr ich aus dem Hafen, als das Tor um 5 Uhr wieder einmal offen war. Draußen begegnete mir ein traditionelles Segelboot, ein Galway Hooker, früher ein Frachtboot, das mit seinen roten Segeln langsam an mir vorbeifuhr. Dann hab ich mir eine Tonne ausgesucht und für die Nacht dort festgemacht. Mit einer tollen Morgenstimmung wurde ich für meinen einsamen Platz belohnt.

Ich fuhr zur größten der 3 Aran Inseln, nach Inishmore. Dort habe ich den einzigen Platz an einem Pontoon bekommen aber wieder ohne Klo und Dusche. In dem kleinen Ort gibt es zwei Souvenirläden und einige Hotels und Unterkünfte. Die Besucher werden von Kleinbussen um die Insel gefahren und es gibt auch 2 Fahrradverleihen.

Ich hab mein eigenes Fahrrad ausgepackt und mich an den großen Rundweg (35 km) gemacht. Vorbei an bunten Blumenwiesen, die mit Steinmauern eingesäumt waren ging es erst einmal die Küste entlang zu einer Stelle an der sich die Seehunde in der Sonne aalen. Die Blumenpracht unterwegs war wirklich beeindruckend!

An der SW Küste und an verschieden Stellen auf der Insel gibt es auch noch Reste von vorchristlichen Siedlungen und Befestigungen. Die eindrucksvollste ist Dun Aengus, ein großer Steinwall, der direkt an die Klippen führt, die hier 60 Meter senkrecht ins Meer abfallen. Vor dem Steinwall ist eine Verteidigungszone mit senkrecht gestellten spitzen Steinen, die wohl den Angriff mit Pferden verhindern sollten (und sicherlich auch erfolgreich gemacht haben).

Die nächsten Tage war kein Wind zu erwarten und so bin ich mit Motor über die flache See gebrummt. Vorbei an dem weit ins Meer reichenden Kap von Slyne Head ging´s durch einige einsame Felsen, die einem schon gefährlich werden können, wenn man allzu sorglos dahinfährt.

Nach einer Nacht vor Anker im Hafen von Inishbofin – im Hafen gibt es nur ein Anlegepier für die Fähren bin ich im glitzernden Morgenlicht gleich weiter auf die Insel Clare gefahren. Eine Stunde konnte ich sogar ganz gut segeln, aber dann war der Wind wieder weg. Auf Clare gibt es nichts mehr, außer 148 Einwohner und viele Schafe. Früher war die Insel bekannt und berüchtigt, da hier eine gefürchtete Piratin gelebt hat, die mit ihren Kaperfahrten den Franzosen, Spaniern, Holländern und Engländern das Handeln wohl sehr schwer gemacht hatte. Als die Engländer aber einmal ihren Sohn schnappen konnten, ist sie mit 63 Jahren noch nach London gereist und hat ihn der englischen Königin wieder abgeschwatzt. Dafür musste sie nun die englischen Schiffe in Ruhe lassen. In dem alten Festungsturm am Hafen hat sie damals gehaust. Heute baden die Kinder der Insel davor im Meer (bei 14°C).

Ich habe eine kleine Wanderung gemacht und bin an den letzten abgestorbenen Baumstümpfen vorbeigekommen. Die sind 7500 Jahre alt und damals im Moor versunken, wo sie wunderbar konserviert wurden. Jetzt, wo das Moor zurückgeht tauchen sie aus dem Sumpf wieder auf. Ich hätte nicht gedacht, dass ein paar alte Baumstümpfe eine solche Geschichte erzählen können.

Auch hier blüht es überall. Weiße, gelbe und blaue Blumen wohin man sieht und auch im Moor blühen die gelben Lilien. In einer Woche wird wohl alles rot sein, denn die Fuchsienbüsche, die überall an den Wegrändern stehen (3 Meter hoch) sind schon übervoll mit Knospen.

Am 1.6. wollte ich die eindrucksvolle Küste mit den dramatischsten Klippen Irland erleben, an denen ich vorbeisegeln wollt. Leider ist daraus nichts geworden, denn es war dichter Nebel und ich war ständig in der Mitte einer grauen Kugel – Wasser und Himmel alles grau! Nur manchmal, wenn es um die Ecke ging – als um ein Kap – bin ich so nahe an die Felsen gekommen, dass ich einen sehen konnte.

Am Nachmittag konnte ich dann schon etwa 500 m sehen und fuhr durch einige Vogelschwärme, die sich auf dem Wasser niedergelassen hatte. Mit großen Gekreische sind sie einmal um das Schiff geflogen und haben sich dann wieder auf das Wasser gesetzt.

Gegen Abend ist der Nebel auf einmal davongeflogen und es war doch noch ein bisschen von der dramatischen Küste zu sehen.

In der Hoffnung, am nächsten Tag auch wieder etwas zu sehen, bin ich in eine Bucht vor Anker gegangen. Aber am nächsten Tag war dieselbe Suppe und ich fuhr wieder blind nach Sligo. Am Eingang zu der langen Fahrt zeigt einem ein „eiserner Mann“ den Weg durch das Labyrinth des Fahrwassers durch das man (nur bei Hochwasser 4 Stunden lang) nach Sligo kommt. Dort habe ich einen Platz an dem übervollen Steg als drittes Boot im Päckchen gefunden.

Die kleine Provinzstadt ist stolz auf ihren berühmten Sohn, den Literaturnobelpreisträger – wer errät es? –

Es ist W.B. Yeats. Statue, Museum, Ausstellung, es ist alles da über den Dichter, der so beeindruckend Land und Leben in seiner Heimat beschrieben hatte obwohl er nur selten da war. Außerdem gibt es noch ein verfallenes Kloster und einige Pubs mit Musik. Es geht eher gemütlich zu, nicht so ein Rummel wie in Galway.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Morgen mach ich mich nun auf den Weg die letzte Ecke Irlands zu umfahren, Malin Head, den Nördlichsten Punkt Irlands. In drei Tagen werde ich auch wieder einen Mitsegler haben, wenn Hubert aus Esslingen hier eintrifft. Nun noch eine Einkaufsrunde und dann einen letzten Pub bevor es in den einsamen Norden geht.