Großbritanniens Nordseeküste – Segeln nach Berechnung

Es fängt schon auf den Orkneyinseln an. Nur bei Flut kommt man vernünftig aus der Bucht von Kirkwall raus (mit 1-2,5 kn Schiebestrom), um dann möglichst bei stillem Wasser (Hochwasser) den Pentland Firth mit zahlreichen Untiefen und Felsen zu durchqueren und nicht zu spät nach Wick zu kommen, da sonst starker Gegenstrom (bis zu 3 kn) die Hafeneinfahrt schwierig macht. Nun es hat alles geklappt und ich war wieder in Wick, der ersten Stadt in Schottland mit dem guten Pulteney Whisky.

Die obere Stadt ist unverändert wie vor hundert Jahren mit kleinen Handwerkerhäusern um einen grünen Platz ganz idyllisch (und einsam). Die Stadt am Fluss, die vor 4 Jahren einen so deprimierenden Eindruck machte mit ihren zahlreichen leerstehenden Häusern ist mitten im Aufbruch. Die Windfelder und Bohrinseln vor der Küste haben den Einwohnern neue Jobs verschafft. Im Hafen, der noch mitten im Ausbau ist, werden Windräder verladen und die mächtigen Offshoreboote haben eigene Anlegestege bekommen.Daneben wird ein ganzes Quartier mit Handwerkerhäusern und großen Innenhöfen saniert und restauriert. Nur die Läden und Restaurants in der Innenstadt haben noch nicht mitgezogen. Leider hatte das einzige gute Restaurant geschlossen und ich musste wieder selber kochen. Am nächsten Tag habe ich mal wieder die üblichen Fish and Chips vertilgt.

Als nächsten Hafen habe ich mir Banff ausgesucht. Eigentlich gibt es nichts anderes an dieser Küste und der Hafenmeister hatte gesagt ich solle nur kommen. Nachdem ich einige Kreuzschläge gegen den Wind gemacht hatte, bin ich mit Motor weiter, denn die Strömung hätte mich sonst wieder zurück nach Wick getrieben. Ein paar Wale haben sich an meinem Schiff vorbei geschlichen und auch eine größere Gruppe von Delphinen war einmal in der Nähe auf Jagd. Schließlich kam noch ein Kabelleger vorbei, der gerade ein Kabel zu den neuen Windfeldern legte, an denen ich seit 1,5 Std vorbeifuhr. So hatte ich doch einige Abwechslung bis ich etwa 2 Stunden nach Hochwasser Baff erreichte.

Vorsichtig fuhr ich durch die etwa 6 m hohe und ziemlich enge Hafeneinfahrt in den Außenhafen, dann mit scharfer Wende nach Backbord durch die zweite Einfahrt, die noch enger war (etwa 8 Meter breit) in den Innenhafen. Ein ziemlicher „Blindflug“, denn wegen der hohen Hafenmauern sieht man nicht ob irgendein Schiff entgegen kommt. Der Platz, den mir der Hafenmeister genannt hatte, war belegt. Also rief ich ihn an und er wollte in einer halben Stunde vorbeikommen. Er meinte, ich könne bleiben, der Grund ist weicher Schlamm in dem mein Kiel gut versinken würde. Bei einer aktuellen Wassertiefe von 2,20 m und einem Pegel, der noch um 1,4 m fällt, muss da sehr viel versinken! So bin ich eben wieder rausgefahren –gerade noch, denn in der Einfahrt waren es nur noch 1,7m Tiefe – und bin vor dem Hafen vor Anker. Schade, so kann ich nichts von Banff erzählen. Es hatte ganz vielversprechend ausgesehen.

Am Donnerstag, den 02.08. gings weiter ohne Wind nach Peterhead, dem Hafen in dem die meisten Segler, die quer über die Nordsee segeln, ankommen. Beim von Bord gehen ist mir das Handy ins Wasser gefallen. Mist! Den Rest des Tages habe ich damit verbracht, jemanden zu finden, der mir das Ding wieder aus der trüben Brühe heraustaucht. Das hat schließlich geklappt. Der Sohn eines Bootsbesitzers, der für seinen Vater ebenfalls tauchen musste, hat es mir in zahlreichen Tauchgängen aus 4,5m Tiefe herausgeholt (14 Grad Wassertemperatur!).

Am nächsten Tag hab ich erst einmal eine neue SIM Karte gekauft, die ich dann gar nicht gebraucht habe, denn meine Karte hätte mit einem entsprechenden Rahmen auch in das Ersatzhandy gepasst (technische Blindschleiche!) Den Rest des Tages hab ich mit dem Herunterladen von Programmen verbracht. Übrigens hatte am Morgen der auf- und absteigende Nebel eine fantastische Stimmung über den Hafen gelegt. Ansonsten ist es eine denkbar langweilige graubraune Stadt.

Eine kurze Fahrt bracht mich nach Stonehaven einen netten kleinen Fischerort in dem sich eine kleines Museum und einige Restaurants um den Hafen verteilen. Es gibt auch eine neu angelegte Promenade, die um die Bucht herumführt und an der die eigentliche Stadt liegt. Ein Künstler hatte hier sehr eigenwillige Bootsmodelle aus Edelstahl zusammengeschweißt und aufgestellt. Die Landschaft ist auch sanfter und die Häuser z.T. weiß gestrichen. So verfliegt langsam das deprimierende Graubraun, in dem ganz Nordschottland versinkt (vor allem bei trübem Wetter).

Die Küste ist aber nach wie vor immer wieder sehr schroff. Die weißen Felsen sind aber nicht aus Kalk, sondern mit Vogelkot bedeckt und überall schwimmen die Jungvögel hinter ihren Eltern her. Sie sind nur schwierig zu fotografieren, denn kaum bin ich nah genug heran, tauchen sie ab.

Mit einem Zwischenstopp in Abroath gings nach Edinburgh, tief hinten im Firth of Forth. Der Wind war sehr abwechslungsreich, man kann auch sagen anstrengend. Zwischen 6 und 24 kn also Windstärke 2-6, war alles drin. Beim Hafen sind dann 4 Brücken, die hier den Firth überqueren, davor ein paar Felsen, die zu umfahren sind und eine Gasladestation für die Tanker und ein Ankerfeld für Kreuzfahrer. Zu allem Überfluss ist auch noch ein Baggerschiff rumgekurvt (hat natürlich Vorfahrt!) und eine Fähre. Ich hab den Hafen dennoch gefunden und irgendwo festgemacht, denn es war keiner mehr da, der mir meinen Platz zeigen konnte.

Nach so vielen einsamen Inseln und kleinen Dörfern ist Edinburgh ein Knaller!!! Die Stadt, die zunächst auf einem Hügel an der Festung gebaut wurde, mit den ersten 8-stöckigen „Hochhäusern“ Europas wegen der Platznot, ist schließlich doch auf dem gegenüberliegenden Hügel erweitert worden mit einer durchaus attraktiven Neustadt.

Dazwischen liegt ein tiefes Tal mit ausgedehnten Parkanlagen (und der Bahnlinie). Die Häuser der Neustadt haben oft einen Graben davor, damit auch im Keller noch Wohnungen eingerichtet werden können – na, ja wer´s mag.

Natürlich bin ich auf die Burg und habe mich durch die Schlangen geschoben, die Karten kaufen, den Rittersaal (Schlange) und den Kronjuwelen Saal (Schlange) anzuschauen. Der Höhepunkt ist aber der 1-Uhr Schuss mit der Kanone von der Aussichtsplattform. Der überaus bedeutungsvoll daher schreitende Offizier lädt die Kanone nachdem er sie einmal umkreist hat und zündet den Böller dann (möglichst genau) um 1 Uhr. Danach dürfen sich alle neben ihn stellen und fotografieren lassen. Ich vermute ja dass die Schotten den 1-Uhr Schuss erfunden haben, weil ihnen 12 Schuss am Mittag zu teuer waren.

Im August ist in Edinburgh auch das Fringe Festival. Da kann jeder Künstler sich anmelden und mitmachen und es gibt nichts was es nicht gibt. Am Nachmittag sind in der Hauptstraße der Altstadt kurze Aufführungen, bei der jeder zeigen kann, was er am Abend in einem der Theater aufführen will.

Dabei werden immer Postkarten verteilt, wo man das nötigste nachlesen kann. Insgesamt sind 1.200 Gruppen registriert, die in 3 Wochen ihre Kunst darbieten. Zwischendrin kreuzt eine Gruppe swingender Leute, die von einem Entertainer im Badeanzug über Kopfhörer Anweisung bekommen, wie und wohin sie sich jetzt zu bewegen haben.

Manch einer ist auch selbst Kunstwerk genug. Natürlich gibt es auch Straßenmusik, wobei die größte Kunst ist, das Publikum schon beim Aufbauen der Anlage um sich zu scharen. Jongleure, Flamencomusik, Kartenleser, Feuerschlucker, Transvestiten, Portraitzeichner und Mozarts kleine Nachtmusik. Es passt hier alles rein! Das ist Fringe!

Nun geht es aber wieder raus aus dem Firth und vorbei an der Insel Bass. Die Insel ist so weiß, weil hier ein weißer Vogel am andern auf den Klippen sitzt. Wahrscheinlich wäre sie auch weiß, wenn sie auf einmal alle wegfliegen würden. Von dieser Insel hat der Basstölpel seinen deutschen Namen. Der Felsen beherbergt nämlich die größte Brutkolonie dieser größten Seevögel des Nordatlantiks und wurde deshalb zum Namenspatron der Art.

Im Hafen von Eyesmouth wird man gleich von 3 Seehunden begrüßt, die einen hungrig anschauen. An der kleinen Uferpromenade ist eine eindrucksvolle Gedächtniswand aufgestellt, die darstellt wie die Familien von 273 Seeleuten zuschauen mussten, wie vor etwa 100 Jahren ihre Männer mit den Schiffen vor dem Hafen im Sturm untergingen. Unter jeder dargestellten Familie steht der Name des Schiffes auf dem der Angehörige war. Sehr beeindruckend – Respect the sea – ist das Motto der englischen Seenotretter!

Mein nächster Stopp in Amble bringt wieder etwas Urlaubsstimmung. Hübsch hergerichtete Uferpromenade mit einigen guten Fischlokalen und in der Ferne ein altes Schloss, das im Morgenlicht wunderbar aus den Feldern leuchtet.

Am Samstag, den 11.08. komme ich in Castletown upon Tyne an. Jetzt musste ich erstmal das Boot putzen, denn am nächsten Tag wollte Verena, die Tochter von unseren Freunden, die heir seit einem Jahr lebt, unbedingt das Boot besichtigen. Das hat auch alles geklappt und wir haben ausgemacht, dass sie mit ihrem Freund ein Stückchen mitsegeln kann.

Zuvor habe ich aber noch Newcastle angeschaut, das mit der Metro nur 40 Minuten weg ist. Nicht so eindrucksvoll wie Edinburgh, aber recht betriebsam mit vielen Ladenzentren (nur das älteste ist vorzeigbar) einigen Museen und Kunsthallen und vielen Brücken über den River Tyne. Die interessanteste ist die Milleniumsbridge, wie ein aufgeklapptes Fischmaul, das sich komplett dreht, wenn es geöffnet wird, sodass beide Bögen dann schräg noch oben schauen.

Mein nächstes Ziel war Whitby, eine kleine Stadt voller Läden, Lokalen und Touristen (englischen). Zum Glück hält sich die Billigindustrieware und die Spielhöllenwut hier noch in engen Grenzen, sodass der Ort eine angenehme Atmosphäre hat, obwohl er so voll ist. Hier sind am Donnerstag Verena und Dave zugestiegen (um 6 Uhr früh!). Wir mussten früh los, denn der Hafen an unserem Ziel in Scarbourough ist nicht mehr erreichbar, wenn das Wasser zu niedrig wird. Wir haben hier inzwischen schon einen Tidenhub von 5,70m.

Es ging alles gut, wir konnten sogar segeln bei leichtem Wind von der Seite und keinen Wellen. So war bis auf einige Regenminuten alles ein gutes Erlebnis. Am Hafeneingang empfängt uns dann die züchtige Meerjungfrau im Badeanzug (Wassertemperatur 14°C)

In Scarborough haben mich Dave´s Eltern, die dort wohnen, zum Abendessen eingeladen. Außerdem waren 2 Freunde von Dave und die Schwester des Vaters mit ihren 5 Kindern dabei – eine schöne große Runde also. Und das Essen war super! Scarbourough hat einige schöne alte Häuser, z.B. das große Hotel mit 365 Zimmern, 12 Etagen und 52 Kaminen. Dazu einige kleine Parkanlage , das Rathaus, schöne Bürgerhäuser aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts etc. Leider wächst auf der anderen Seite eine Flut von Spielhöllen, Billigramschläden, Fish and Chips Buden und überschwemmt die halbe Stadt.

Nach den aufregenden Tag war wieder ein ruhigerer Segeltag mit angenehmen Winden, der mich nach Grimsby im River Humber führte. Muss man nicht kennen. Morgens riecht es in diesem halb verlassenen Industriegelände nach Räucherfisch, abends eher nach Fischabfällen. Dazwischen nach Öl oder Schweißarbeiten. Die Stadt ist fürchterlich und zu sehen gibt es auch nix. Nur die Menschen im Segelclub in dem ich untergebracht bin sind sehr freundlich und aufgeschlossen.

Morgen um 5:00 früh werde ich noch weiterfahren, bevor das Schleusentor für 8 Stunden schließt. Dann geht es weiter Richtung Süden nach Wells. Dort habe ich nur ein Zeitfenster von 2 Stunden, in denen ich in den Hafen komme. Wird schon klappen.