5 Tage auf See

Für die lange Überfahrt hab ich eingekauft und einige warme Essen vorbereitet, auch wenn ich aus der letzten Überfahrt nicht die Hoffnung hatte jemals kochen zu können. Mit Mario, einem Portugieser, der den gleichen Weg hatte wollte ich unterwegs in Funkkontakt bleiben. Dann gings los:

Montag, der 05.09.2016, 9:30 Uhrposa

Ablegen und alle Leinen und Fender verstauen. Wenig Wind und fast keine Welle.  Großsegel mit 2. Reff aufgezogen. Eine Stunde später Cap Sao Lourenco gerundet. Der offene Atlantik liegt vor mir – ruhig und mit nur 6-8 kn Wind aus Nord (angesagt NO, 14 kn). Segeln bringt mich zu weit nach Westen, also mit Motor strikt nach N. Mario segelt ab nach Westen. Das Wetter bleibt unverändert und ich mache mir abends um 6:00 Uhr Nudeln mit Hackfleischsoße. Wunderbarer Sternenhimmel mit kleiner Mondsichel und weit und breit kein Schiff. Heute 95 sm geschafft (aber Umweg, da ich Kurs 360° gefahren bin und nicht direkt 45°). abend1

Dienstag, der 06.09.2016leichter-wind

Um 7:00 Uhr wird es endlich hell. Wind und See unverändert ruhig. 12 Mal bin ich heute Nacht aus meiner Koje im Salon über das Leebrett (das ist so ein Rausfallschutz wie bei einem Pflegebett, nur dass er nicht zum Wegklappen ist) geklettert, schlaftrunken die Leiter zum Cockpit hochgestiegen, um die Leinen der Selbststeueranlage geturnt, auf dem Plotter nach Schiffen gesucht, dann das Ganze wieder zurück. Um 8:00 Uhr fährt endlich mal ein Frachter in 15 Meilen Entfernung vorbei – kaum über dem Horizont zu sehen. Tank mit den Kanistern (40 l) nachfüllen. Mittagessen Tomatenreis mit Schinken und Zwiebeln. Um 15:15 Uhr ist endlich genug Wind zum segeln. Im Tank sind nur noch 70 l Diesel. Mit langsamen 3 kn Fahrt geht es in die Nacht. Um 22:00 Uhr hab ich die Höhe von Gibraltar erreicht. Europa ich komme! – langsam… In der Nacht glitzern lauter Leuchtpunkte silbern in der Gischt seitlich am Boot. Wieder mit den Sternen alleine.abend2

Mittwoch, der 07.09.2016delphin

Es geht weiter mit 3 kn durch die Nacht. 2 Mal muss ich außerplanmäßig nach oben und den Kurs wieder korrigieren. Die Wellen hatten das Boot bei dem wenigen Wind so zur Seite geschoben, dass es im Wind stand und alles flatterte und klapperte. Morgens besucht mich eine Herde – etwa 20 –  Delphine und spielt eine halbe Stunde ums Boot herum. Der Wind läßt nach auf 2-4 kn. 2 Std Motorfahrt zum Batterien laden und vorwärts kommen. Dann stehe ich mitten im Atlantik 4 Stunden in der Flaute. Eine Runde schwimmen im 2.000 m tiefen Meer, Wassertemperatur 23 ° C. Duschen, Mittagessen (Kartoffelbrei mit Nürnberger Bratwürsten).windstille

Regenfront taucht im Norden auf und kommt langsam näher. Binde vorsichtshalber wieder ein Reff ins Groß, dann kommt endlich Wind. Sonnenuntergang, der Wind frischt auf 18 kn auf. Es geht mit 4,5 kn Fahrt schön voran – allerdings ist jetzt alles noch schräger, 15-20° Lage.abend3

Donnerstag, der 08.09.2016

Es hat nicht geregnet, aber die Nacht war schwarz. Immer noch keine Schiffe im Umkreis von 30-40 Meilen. Soweit zeigt mein AIS alles an. Erst um 8:00 passieren 2 Tanker im Abstand von 5 bzw. 25 sm. Die Wolken werden dünner und schließlich ist es ein weiß-blauer Himmel. Der Wind hat wieder etwas nachgelassen und ich fahre unter vollen Segeln 4 kn (schade, dass die Genua zerrissen ist. Die kleinere Fock bringt einfach nicht so viel Zug. Der Wind bleibt den ganzen Tag gleich, nur die Wellen sind etwas ruppig und bremsen das Schiff wieder ab. Entsprechend werde ich in der Koje hin und her gerollt und geschubst. Jetzt sind viele Frachter unterwegs, die aus der Straße von Gibraltar kommen oder rein wollen.frachter

Abends mach ich mir die 2. Portion Nudeln mit Hackfleischsoße. Ich krieg das schon ganz gut hin in dem dauernden Geschaukel, bei 20 ° Lage, den Topf und mich festhalten, umrühren etc. In der Nacht dreht der Wind und ich kann wieder etwas nördlicher fahren.mond

Freitag, der 09.09.2016

Die See wird ruhiger, der Wind bleibt. Immer noch viele Frachter unterwegs, aber alle mit großem Abstand. Ich glaube, sie halten extra so viel Abstand, weil Segler ja so unberechenbar sind und dann auch noch Vorfahrt haben. Zum Frühstück gibt es das letzte Brötchen. Die restlichen 2 sind angeschimmelt und gehen über Bord.- Es wird Zeit, dass ich ankomme! Ab Mittag dreht der Wind wieder zurück und ich muss wieder 60° fahren. Macht nix, ich bin schon weit genug im Norden. Um 18:00 Uhr gibt es warme Erbswurstsuppe mit Wienerle. Leider hab ich nach dem Öffnen der Dose mal wieder nicht aufgepasst und die Dose mit den Würstchen saust über den Tisch und macht einen Salto über die Kante. Die ganze fettige Brühe verteilt sich am Boden im Salon. Dann halt erst mal putzen, bevor es was zu essen gibt! Der Wind legt etwas zu und ich muss auch nicht mehr so hoch am Wind fahren. Es geht mit 5,5 kn weiter. Ein kleines Tief kommt wieder auf mich zu und ich binde das erste Reff ein.regenfront

Als der Wind um 22:00 Uhr auf 20 kn ansteigt binde ich auch noch das 2. Reff ein und komme flott aber schräg vorwärts. Die Turnerei aus der Koje an Deck und zurück in jeder Stunde wird langsam richtig anstrengend. Na ja, andere gehen dafür ins Fitness Studio. Hier hab ich das ganz umsonst.abend4

Samstag, der 10.09.2016

Der Wind lässt nach. Mit dem neuen Kurs komme ich aber immer noch schnell vorwärts. Die Nacht war wieder sternenklar – unglaublich, was da alles über dem schwarzen Meer leuchtet. Als es um 7:00 Uhr wieder hell wird sehe ich eine lange schwarze Regenwand vor mir. Der Wind geht zurück auf nix und die Wellen sind auch so gut wie weg. Es ist kein Regen – es ist dichter Nebel. Ich hole schnell noch die Segel ein und fahre 4 Stunden (ohne Frühstück!) durch den kalten feuchten Nebel. Ich traue mich nicht vom Steuer, denn so kurz vor der Küste können kleine Fischerboote auftauchen, die man im Plotter nicht sieht. Kurz vor der Küste reißt der Nebel auf, klarer blauer Himmel über Cascais meinem Zielort. Ich habs geschafft. 632 sm und 120 Stunden auf See liegen hinter mir und ich bin in der noblen Marina von Cascais, einem Vorort von Lissabon.cascais

Mario ist übrigens zu weit nach Westen gekommen auf seinem Kurs und musste 2 Tage gegen starken Wind und hohe Wellen ankämpfen, bis er die Algarve erreichte. Das sind über 100 Meilen südlicher. Gut dass meine Strategie so erfolgreich war!festung

In den nächsten Tagen werde ich mein Winterlager organisieren. Mal sehen , wo ich unterkomme.